Am 15 Oktober wieder in Lorsch
Jeden Sonntag singt das aus 8 jungen Frauen bestehende Geghard-Ensemble die Liturgie in der Messe im Kloster Geghard in Armenien. Als dieses Kloster im Jahre 2002 eine Partnerschaft mit dem Kloster Lorsch einging, trat der Chor erstmals im Ausland, nämlich in Lorsch bei der Partnerschaftsunterzeichnung, auf. Das damalige Konzert in der Restkirche fand nicht nur ein begeistertes Publikum, sondern auch großen Nachhall und war der Start einer internationalen Karriere des Chores.
Zwischenzeitlich, über 20 Jahre später, ist der Chor weltberühmt. Er setzt sich aus Studentinnen der Musikhochschulue in Jerewan zusammen. Dirigiert wird er immer noch von Anahit Papayan, die damals schon in Lorsch dabei war. Der künstlerische Leiter ist ihr Ehemann Mher Navoyan. Mit Lorsch verbindet sie vieles. Bei den bisherigen Auftritten hier bei uns – wenn immer es möglich war verband der Chor eine Deutschland-Tournee mit Lorsch – waren die Mitglieder immer privat untergebracht und es entstanden herzliche Freundschaften. So kommt es, dass der inzwischen weltberühmte Chor Lorsch als „seine zweite deutsche Heimat“ bezeichnet.
Höhepunkte ihrer Karriere waren mehrere Auftritte bei den Salzburger Festspielen, ein Konzert in der Elbphilharmonie in Hamburg und ein unvergesslicher Auftritt im Speyrer Dom vor über 1000 Zuhörern. Alle internationalen Chor-Wettbewerbe, zu dem der Chor eingeladen wurde, hat er gewonnen, zuletzt das World Peace Festival 2021, und so wird er von Fachleiten als der „wahrscheinlich beste Chor weltweit in seinem Genre“ bezeichnet.
Im Mittelpunkt des Programms des Frauenchors des St. Geghard Klosters stehen armenische sakrale Lieder und Melodien aus dem Mittelalter, aber auch Volkslieder. Die Konzerte des Geghard-Chores stiften etwas ganz Seltenes von Anfang an, eine vertraute Gemeinschaft zwischen den Interpretinnen und dem Auditorium. Vieles an dieser wunderbaren Musik scheint hierzulande üblichen Hörgewohnheiten sehr nahe zu kommen, manches aber führt weit drüber hinaus, lässt die uralten historischen Bezüge erahnen: Gesang aus den Tiefen der Jahrhunderte.
Frage: Das Geghard Ensemble hat sich international einen Namen gemacht und berührt das Publikum weltweit. Was zeichnet dieses Ensemble besonders aus und wie unterscheidet es sich von anderen Chören?
Navoyan: Die Einzigartigkeit des Geghard Ensembles liegt in den klar definierten künstlerischen Zielen, die wir von Anfang an gesetzt haben. Im Fall des Geghard Ensembles haben wir uns auf zwei Hauptzweige der armenischen Musik konzentriert: die geistliche und die volkstümliche Musik. Diese beiden Stränge sind für uns Armenier von existenzieller Bedeutung, da sie unser Wesen und unsere Identität widerspiegeln. Sie bieten uns die Möglichkeit, der Welt authentisch zu begegnen.
Frage: Die armenische Sakralmusik hat eine jahrhundertealte Tradition und ist eng mit der Geschichte der Armenischen Apostolischen Kirche verbunden. Welche Rolle spielt diese Musik im Repertoire Ihres Ensembles und wie prägt sie Ihre Arbeit?
Navoyan:. Wie jede religiöse Kunst hat auch unsere geistliche Musik ihren Ursprung in den liturgischen Erfordernissen. Das Geghard Ensemble ist fest in dieser Tradition verankert. Jeden Sonntag und an Feiertagen nehmen wir an der Liturgie im Geghard Kloster teil. Der enge Kontakt zur sakralen Praxis und die ständige Teilnahme an den kirchlichen Riten machen die Aufführung dieser Musik zu einer natürlichen und organischen Angelegenheit für uns.
Frage: Was macht die armenische Sakralmusik für Sie so einzigartig, und worin unterscheidet sie sich von anderen christlichen musikalischen Traditionen?
Navoyan: Unser großer Komponist Komitas, der als Vater der armenischen klassischen Musik gilt, erkannte, dass die armenische geistliche und weltliche Musik wie „Bruder und Schwester“ sind. Die wesentlichen Merkmale der armenischen Sakralmusik stammen aus der musikalischen Denkweise des armenischen Volkes. Diese Musik ist tief verwurzelt in der Volksseele, und das verleiht ihr eine einzigartige Authentizität.
Frage: Sie haben weltweit Konzerte gegeben. Welche Bedeutung hat Deutschland, insbesondere Lorsch, für das Geghard Ensemble und welche Verbindungen bestehen zur deutschen Musikszene?
Navoyan: Unsere Kontakte mit Deutschland begann 2002, als unter der Schirmherrschaft der UNESCO eine Verbindung zwischen dem Kloster Geghard und dem Kloster Lorsch in Deutschland entstand. Besonders hervorzuheben sind dabei Herr Ernst-Ludwig Drayß und Dr. Hermann Schefers, die diese Zusammenarbeit initiierten. Dank Herrn Drayß und der von ihm gegründeten Organisation „NOAH“ gab es in den folgenden Jahren zahlreiche Tourneen in Deutschland und Österreich. Seit 2018 fungiert der Geghard-Chor als kultureller Ehrenbotschafter der „Stiftung UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch“. In Lorsch waren wir immer zu Gast bei Familien und so wurde Lorsch zu „unserer zweiten deutschen Heimat“. Wir freuen uns sehr, wieder einmal in Lorsch zu sein.
Frage:
Was können die Zuschauer in Lorsch von Ihrem Konzert erwarten? Welche
spirituellen und musikalischen Erfahrungen möchten Sie dem Publikum vermitteln?
Navoyan:
Unser Konzert in Stuttgart wird sowohl geistliche als auch weltliche Werke
umfassen. Die geistlichen Stücke werden größtenteils Werke zeitgenössischer
armenischer Komponisten sein, die auf den liturgischen Traditionen unserer
Kirche basieren, aber zugleich eine moderne Musiksprache verwenden. Wir hoffen,
dass das Publikum die tiefe spirituelle Bedeutung dieser Werke spüren wird.
Sakralmusik ist nicht nur Kunst, sie ist auch Gebet – und wenn dieses Gebet
aufrichtig dargeboten wird, kann es die Herzen der Menschen auf besondere Weise
berühren.